Kinderspezifische Tabakwerbung in Deutschland
Children-oriented Tobacco Advertising in Germany

ecoglobe home | sitemap | ecoglobe Rauchseiten - pages sur le tabac |aim kids... |The Art Of Smoking...
Artikel von Dr. K. Pumpe, St.-Vincentius-Klinikeng gAG,
Medizinische Klinik, Abteilung IV, Pneumologie,
Südenstraße 32, 76135 Karlsruhe, Deutschland.
Zusammenfassung

Seit 1990 stieg der Anteil der Raucher unter den 12- bis 17-Jährigen in Deutschland von 21 auf ca. 28%. Die meisten beginnen zwischen dem 11. und 13. Lebensjahr, 85% entwickeln ihre Markentreue bis zum 18. Lebensjahr. Trotz Verbot der Tabakwerbung in Funk und Fernsehen wurde der Werbeetat der Zigarettenindustrie seit 1987 kontinuierlich erhöht, zunehmend auf Frauen und Kinder fokussiert. Nach Kenntnis des Autors werden im Folgenden erstmals detailliert die häufigsten in Deutschland angewendeten Strategien dargestellt, mit welchen Kinder und Jugendliche zum Rauchen animiert werden sollen. Hierbei wird deutlich, dass sich Werbekampagnen nicht auf Printmedien und Plakatwände beschränken, sondern das Internet einbeziehen. Indirekte Gewöhnung an eine Zigarettenmarke durch Musikvideos, Kinofilme und Merchandising von attraktiven Textilien und Reisen sowie das Sponsoring von speziellen Sport- und Musikveranstaltungen werden berücksichtigt. Exemplarisch werden 'kindgerechte' Präsentationen der Werbebotschaften in Printmedien analysiert und evaluiert. Psychologisch geschickt wird bei Jugendlichen Interesse geweckt und eine Konditionierung auf das Rauchen in bestimmten Situationen gefördert.
Abstract

Since 1990 the percentage of smokers among the 12 to 17-year-olds in Germany has risen from 21% to about 28%. Most of them start between the age of 11 and 13. 85% favour a certain brand by the age of 18. Despite the prohibition of tobacco commercials on radio and TV the cigarette industry has continually increased their budget for advertising aimed more and more at women and children. According to the author's knowledge, this report describes for the first time the strategies most frequently applied in Germany to incite children and teenagers to smoking. The publicity campaigns are not restricted to billboards and the printed press, but use the internet also. Indirect conditioning to a certain brand by music videos, movies and merchandising of attractive clothes and trips as well as the sponsoring of special music and sports events are also shown. The report analyses and evaluates examples of messages inprinted advertisements aimed at children. With psychological skill interest in smoking is created with teenagers and a conditioning for smoking in certain situations is promoted.
Lesen Sie den ganzen Artikel Werbemethoden der Tabakindustrie (PDF - 490 KB) mit Bildern oder die Textfassung hierunter.
  • Werbemethoden der Tabakindustrie
  •  

    Kinderspezifische Tabakwerbung in Deutschland - Children-oriented Tobacco Advertising in Germany

    [Page 2] Einleitung
    Aufgrund des Einspruchs von Deutschland und Österreich vor dem europäischen Gerichtshof traten die von der EU geplanten Einschränkungen der Tabakwerbemaßnahmen zum 31. Juli 2001 nicht in Kraft. Erneut versucht jetzt EU-Gesundheitskommissar Byrne, Tabakwerbung und Sponsoring von grenzüberschreitenden Veranstaltungen durch Tabakkonzerne europaweit einzuschränken. Er begründet diesen Schritt mit der hohen Gefahr für Jugendliche, die durch diese Werbung zum Rauchen verführt werden [1].
    In Deutschland ist die Tabakwerbung in Rundfunk und Fernsehen seit 1977 bzw. 1989 verboten. Dennoch wurde der Werbeetat der Zigarettenindustrie - nach intensiven "Marktanalysen"- seit 1987 kontinuierlich erhöht: "Es ist uns wichtig, soviel wie möglich über das Rauchen von Teenagern zu erfahren, (...) sie sind das Potenzial normaler Kunden von morgen" [2].
    Seit 1990 stieg der Anteil der Raucher unter den 12- bis 17-Jähri-gen in Deutschland von 21 auf ca. 28% [3,4]. Die erste Zigarette wird nach deutschen Erhebungen mit 13,6 Jahren genossen, laut WHO mit 12,5 Jahren [5]. 85% der Jugendlichen entwickeln bis zum 18. Lebensjahr eine Markentreue.

    Gegenüberstellung verschiedener Instrumente der Zigarettenwerbung

    Internet

    Dank der weiten Verbreitung und geringen Werbebeschränkungen stellt das Internet ein ideales Medium für die Tabakindustrie dar. Dabei wecken die zahlreichen deutschsprachigen Seiten den Verdacht, dass Deutschland als "Testmarkt" vorgesehen war.
    Diesbezügliche englischsprachige Web-Sites entstanden erst in jüngerer Zeit. Dabei geht es offiziell um "reine Kommunikation, keine Zigarettenwerbung, keinen Verkauf" [6].
    Die Internetadressen (s. Tab.1) bieten - sofern man bejaht, 18 Jahre alt zu sein - Hinweise auf die für Jugendliche attraktiven Techno-Parties und Insider-Lokale. Auch ohne die Zigarettenmarke bzw. Herstellerfirma anzuklicken, wird man mit diversen Links hingeleitet. Mit Informationen zum aktuellen (Rave-)Musikmarkt, spannenden Online-Geschicklichkeitsspielen (z.T. kindgerecht im Cartoon-Design mit Gewinnen) und aufwändigen Chat-Räume binden sie die Besucher für einen längeren Zeitraum. Während die Spiele direkte Elemente der Zigarettenwerbung oder eine Abbildung der Schachtel beinhalten, sind die betreffenden Marken sonst nur im Hintergrund oder oben rechts eingeblendet. So verspricht eine Web-Seite für australische Teenager/-innen Modeshows und Hinweise auf Rave-Parties. Es gibt keinen Hinweis auf Philip Morris - doch auf den erwähnten Parties sind die Farben und Embleme des Konzerns gegenwärtig, auf den Tischen liegen Gratismuster von "Alpine" [7].
    Tab. 1 Internetadressen von Zigarettenmarken
    BAT: lucky-strike.de
    West: west.de
    Marlboro: philipmorris.com mind-advertising.com/us/philipmorris
    Camel: osirus.com/camel/index.htmdownloads.ch/files/desktop/Spass/739.asp
    (www.marlboro.de wurde von einem Domain-service-provider "geschäfts-tüchtig" verwendet)

    Musikveranstaltungen

    Zur Konditionierung der Jugendlichen werden Pop-Konzerte veranstaltet - häufig mit freiem Eintritt. Der Volljährigkeitsnachweis als Zugangsberechtigung wird nicht konsequent gefordert. Mit Musik, Lichteffekten, Postern und kostenlosen Rauchproben wird das unbeschwerte Lebensgefühl mit einer Zigarettenmarkeverknüpft (Abb.1).
    Abb. 1 Columbia Hall, Berlin 2000, sponsored by Philip Morris.

    Kinofilme, Videos

    Die überwiegende Anzahl der 25 erfolgreichsten US-Kinofilme der Jahre 1988 bis 1997 zeigt rauchende Personen. Hinzu kommt das "verdeckte" Werben von Tabakprodukten im Hintergrund, gerade bei Musikvideos und -clips. Jugendliche sprechen auf diese Vorbilder und Stars an und ahmen diese nach [8]. Die 10 populärsten US-Schauspielerinnen (18- bis 44-jährig) rauchten im Film sogar mehr als eine (unpopuläre) Vergleichsgruppe der 18- bis 44-Jährigen (42 vs. 24%) - und zwar unabhängig davon, ob der Film ein jugendliches oder ein erwachsenes Publikum ansprechen sollte [9]. Mehr als die Hälfte der US-Video-Trickfilme für Kinder enthält mindestens eine Szene, in der Tabak konsumiert wird [10].

    Merchandising

    Auch ohne die Abbildungen von Zigaretten werden bestimmte Stimmungen oder Situationen mit Tabakprodukten assoziiert, z.B. Kino(vor)filme mit grandiosen Landschaftsaufnahmen (von"Stuyvesant" und "Marlboro": Abenteuerreisen-Vermarktung). Werbegeschenke mit Zigarettenlogos kennen mehr Raucher als Nichtraucher, 30% der Raucher kennen mit Zigarettenwerbung verbundene Kleidungsstücke [11]. Schuhe ("Camel": Boots) undTextilien ("Lucky-Strike" und "West": Jacken, Kappen, Rucksäcke,Taschen) werden in Preisausschreiben als Gewinn ausgesetzt und sind direkt kommerziell erhältlich (s. Tab. 2).
    Pumpe K, Kinderspezifische Tabakwerbung ¹Pneumologie 2002;56:247-254
    -------
    Page 3
    Tab. 2 Merchandising von Zigarettenmarkenartikeln via Internet
    West: www.mclaren.com
    Marlboro-Sommerreisen: www.msj.mhomitch.de
    Camel: www.camel-shop.de
    Lucky-Strike: www.lucky-strike-originals.de

    Die Vermarktung durch Sportveranstaltungen (Formel-1-Auto-rennen) trägt dazu bei, das stets gut erkennbare Zigarettenmarkenlogo zu vergegenwärtigen und zu verbreiten (Abb. 2). Unterschwellig beginnt die (indirekte) Vermarktung bereits im Kindesalter: "Schokoladen-Plagiate" etablierter Zigarettenmarken wurden jahrzehntelang von den Tabakkonzernen geduldet. Es resultierte eine niedrigere Hemmschwelle der Kinder, mit dem Rauchen zu beginnen [12].

    Zeitungsanzeigen und Plakatwände

    Um speziell Kinder und Jugendliche anzusprechen, werden nicht die weit verbreiteten, Ruhe und Entspannung vermittelnden Werbe-Stimmungen verwendet (z.B. Sonnenuntergang, Pause,Genuss) (Abb. 3). Vielmehr wird Action geboten (Abb. 4), Neugierde geweckt, "etwas" auszuprobieren oder mit pfiffigen Bemerkungen Aufmerksamkeit erzielt. Hierzu werden Jugendliche mit interessanten und "coolen" Personen "aus einer anderen Welt" (der der Erwachsenen) konfrontiert. Bei kleineren Kindern vertraut man auf die Atmosphäre von Kuscheltieren.
    br> Analyse einiger Werbekonzepte für Kinder und Jugendliche (Zeitschriften und Plakatwände) "Lucky Strike" (British-American-Tobacco)

    Wie keine andere konnte diese Zigarettenmarke in den letzten Jahren Umsatzsteigerungen verbuchen. Das Werbekonzept für Deutschland enthält pointierte Stellungnahmen zu aktuellen politischen und populären gesellschaftlichen Themen. Die Kommentare sind schnell, spitz und treffend. Insbesondere Jugendliche, die noch nicht zu etablierten politischen und gesellschaftlichen Schichten zählen wollen, werden augenzwinkernd auf die kuriosen Eigenarten der Erwachsenen aufmerksam gemacht -und für Lucky Strike gewonnen.... (Abb. 5 und 6)."

    West" (Reemtsma) Es ist eines der am schnellsten wachsenden Zigarettenunternehmen der Welt. Wesentlichen Anteil hieran hat die Zigarettenmarke "West", für die sie mit neuen Erfahrungen bei Kontaktaufnahme mit "Exoten" unserer Gesellschaft (z.B. Catcher, muskulöse Frauen etc.) und alltagsfremden Situationen (Beichtstuhl, Alm, Steinzeit, Stierkampf, Weltraum, Fantasy) lockt. (Abb. 7-10). Die Zigarette bietet unmittelbar eine Kommunikationsebene trotz unterschiedlicher kultureller und weltanschaulicher Positionen. Diese Strategie spricht besonders Teenager in der (Prä-)Pubertät an, die sich von etablierten Gewohnheiten lösen und etwas Unbekanntes kennen lernen wollen. Ihre entwicklungsgebundene Unsicherheit, die gepaart ist mit der festen Entschlossenheit, sich auf ungewohnte Situationen einzustellen und somit eigene Erfahrungen zu machen, wird gleichgeschaltet mit der anfänglichen Zurückhaltung gegenüber Zigaretten. "Test it" - dieser Imperativ macht Mut und verheißt Erfolg. Neben diesem Slogan ist das Piktogramm eines Menschen abgebildet, der in einen Spiegel schaut bzw. durch eine Tür tritt.... in die Welt der (rauchenden) Erwachsenen!
    Abb. 4 Ruhige und temperamentvolle Stimmungen bei unterschiedlichen Zielgruppen der Marlboro-Werbung.
    Abb. 2 Weltweite Vermarktung im Motorsport.
    Abb. 3 Ruhige und temperamentvolle Stimmungen bei unterschiedlichen Zielgruppen der Marlboro-Werbung.

    Pumpe K, KinderspezifischeTabakwerbung ¹Pneumologie 2002;56:247-254†bersicht249
    --------------------------------------------------------------------------------
    Page 4
    Abb. 5 Lucky Strike: augenzwinkernder Bezug zum Alltag.
    Abb. 6 Lucky Strike: augenzwinkernder Bezug zum Alltag.
    Abb. 9 Lederdes-sous, Feuer, Raubkatzen, Körperschmuck: mit "West" Befangenheit überwinden.
    Abb. 10 Lederdes-sous, Feuer, Raubkatzen, Körperschmuck: mit "West" Befangenheit überwinden
    Abb. 8 "West" weckt Interesse anungewöhnlichen Menschen.
    Abb. 7 "West" weckt Interesse an ungewöhnlichen Menschen.
    Pumpe K, KinderspezifischeTabakwerbung ¹Pneumologie 2002;56:247-254†bersicht250
    --------------------------------------------------------------------------------
    Page 5
    "Camel" (Reynolds) Die Kampagne basiert auf einem flauschig-weichen Plüschkamel, welches in schwierige Situationen gerät und diese meist mit gut mütig-trotteligem Blick über sich ergehen lässt (Abb.11und 12). Zigarettenaccessoires für Kinderbetten - so weit hatte sich noch kein Tabakkonzern vorgewagt. Das "Joe Camel"-Magazin bot zudem herausnehmbare neonfarbene Camel-Zeichen, um (mit genügend Coupons) Sandalen und Jacken in Aussicht zu stellen... Der Erfolg war überwältigend: In Amerika konnten nach kurzer Zeit ebenso viele 6-Jährige (!) "Old Joe Camel" den Zigaretten zuordnen wie Mickey Maus dem Disneyland-Logo. Der Marktanteilbei den unter 18-Jährigen stieg binnen zweier Jahre von 0,5 auf32%, der Verkaufserlös im selben Zeitraum von 6 auf 476 Millionen US-Dollar! [13] Für die "reiferen" Kinder schlossen sich - der Interessenlage angepasst - Szenen an, die ein cooles Outfit zur Darstellung brachten und die Neugierde auf sexuelle Erfahrungen ausnutzten (Abb.13 und 14).

    Zusammenfassung einiger "kindgerechter" Werbekonzepte (Zeitschriften/Plakatwände)

    Trotz gegenteiliger Stellungnahmen der Tabakindustrie zielen jüngere Werbekampagnen in Richtung Kinder und Jugendliche, um sie früh und dauerhaft an "ihre" Marke zu binden. Hierbei werden subtil emotional positiv besetzte Elemente aus dem Kinderalltag einbezogen, wie z.B. Kuscheltiere (Camel). Dieses unterhält die jüngere Kinder mit comicartigen Abenteuern und schafft ein unbelastetes Verhältnis zum Zigarettenmarkenlogo. Die älteren Kinder und Jugendlichen werden insbesondere auf neue Körpererfahrungen neugierig gemacht - auf Sex, Body-Painting und -Building, Piercing, veränderte Ausstrahlung mit ausgefallener Frisur oder Kleidung. Während Reynolds in zweideutigen Situationen noch auf den schelmischen Gesichtsausdruck seines Kamels vertraut (Abb.15 und 16), spricht Reemtsma die innere Zerrissenheit und Auflehnung der Jugendlichen gegen normiertes Verhalten an. Hierbei spielt stets die Kontaktaufnahme mit (normalerweise in der Welt der Kinder) ungewöhnlichen Personen eine Rolle, die aufgrund von Kleidung, Haltung und Umgebung Respekt einflößen oder durch ihr auffallendes äußeres Erscheinungsbild Unsicherheit vermitteln. Beides wird überwunden, sobald gemein- -------------
    Abb. 11 Camel-Werbung für Kindermit Kuscheltieratmosphäre.
    Abb. 12 Camel-Werbung für Kindermit Kuscheltieratmosphäre.
    Abb. 13 "Coole"Camel-Werbung für Jugendliche.
    Abb. 14 "Coole"Camel-Werbung für Jugendliche.
    Pumpe K, KinderspezifischeTabakwerbung ¹Pneumologie 2002;56:247-254 †bersicht251 -------------------
    Page 6
    sam geraucht: "Test it" heißt die Botschaft - und aus dem scheuen Jugendlichen wird eine souveräne Person.

    Stellungnahme der Zigarettenhersteller

    Die gezielte Ansprache von Kindern und Jugendlichen durch Werbung wird von Vertretern der Tabakindustrie bestritten. (BAT-Werbeslogan: "Es gibt Menschen, die haben nie Cigarettenwerbung gesehen. Trotzdem rauchen sie.") Ihr ginge es ausschließlich um Marktanteile unter den erwachsenen Rauchern. Unter dem wachsenden Druck einer besorgten und empörten Öffentlichkeit reagierten die Tabakunternehmen: In Deutschland startete eine gemeinsame Kampagne, um Jugendliche vor dem Rauchen zu "warnen". Der Erfolg ist fraglich- selbst für die Organisatoren [14]. Umso mehr besteht die Gefahr, dass sich die Grenzen zwischen "Anti-" und "Pro-" Werbung verwischen: Philip Morris Deutschland plädiert öffentlich dafür, den Zigarettenverkauf an Minderjährige zu untersagen [15]. Auf seiner offiziellen Internetseite stellt der Konzern seine weltweiten Bemühungen dar, Kinder und Jugendliche vom Rauchen fernzuhalten ("Our global commitment in support of youth smoking prevention"). Auch weist Philip Morris auf seine 1996 begonnene Kampagne "Cool Kids can wait" hin [16]. BAT ermahnt "Liebe Jugendliche, tut doch nicht so furchtbar erwachsen" und verspricht in großformatigen Zeitungsanzeigen unter einem Bild von Kindern und Jugendlichen: "Wir verzichten auf diese Zielgruppe und wünschen uns, dass unsere Produkte nicht von Jugendlichen gekauft werden. Cigaretten sind Genussmittel für erwachsene Verbraucher (...)." (Abb.17) sowie: "(Da es..) schwierig ist, eine klare Grenze zu ziehen zwischen Jugend- lichen und Erwachsenen, verzichten wir ab 1. Januar 2001 auf die Abgabe von Gratiszigaretten z.B. bei öffentlichen Veranstaltungen (...) Discos und Restaurants" (Abb.18). Immer wieder klingt unverhohlen durch, dass Erwachsenen die Möglichkeit des Rauchgenusses eingeräumt wird - und genau den Genuss dieses Privilegs möchten die Jugendlichen (zum Beweis ihrer körperlichen Reife) zum Ausdruck bringen ... Selbst der Verband der Cigarettenindustrie (VDC) bedauert: "Es ist (...) unerträglich zu sehen, wie junge Menschen rauchen. Wir würden lieber auf diesen Umsatz verzichten..." [17]. Daher sieht die Drogenbeauftragte der Bundesrepublik Deutschland, Caspers-Merk, in der Tabakindustrie keinen gesundheitspolitischen Gegner, sondern einen Verhandlungspartner in Sachen Jugendschutz und fordert hierzu "einen substanziellen finanziellen Beitrag" [18].
    Abb. 18 BAT verteiltkeine Gratiszigaret-ten mehr.
    Abb. 17 BAT ver-zichtet auf Kinder-konsumenten.
    Abb. 15 Camel-Thema für Jugend-liche: Sexualität.
    Abb. 16 Camel-Thema für Jugend-liche: Sexualität.
    Pumpe K, KinderspezifischeTabakwerbung ¹Pneumologie 2002;56:247-254 †bersicht252
    -------------------------------------------------------------------------------- Page 7

    Zigarettenwerbung als Bestandteil der Wirtschaft

    Zigarettenwerbung ist ebenso allgegenwärtig wie das Rauchen, der weltweite Konflikt zwischen wirtschaftlichem Wohlergehen der Tabakindustrie und Gesundheit bekannt [19]. Gesetzlich und freiwillig eingeschränkt, ist sie ein zwar wenig aufdringlicher, jedoch permanent vorhandener Akzent unserer Konsumgesellschaft. Werbung hat den Effekt, das Rauchen unter den Jugendlichen zusteigern [20] und kann Kinder und Jugendliche dazu bringen, mit dem Rauchen zu beginnen [21]. Dabei ist der Einfluss derZigarettenwerbung sogar größer als der von Vorbildern ("Peers") oder Familienmitgliedern [22]. Zigarettenmarkennamen und Logos prägen sich bereits bei Grundschülern gut ein [23]. Ein Werbeverbot für Zigaretten in Printmedien ist politisch schwer durchsetzbar, da es trotz der zu erwartenden Verlagerung der Werbebemühungen (auf Kinospots etc.) Arbeitsplätze der Werbeindustrie sowie der Zeitschriftenverlage gefährdet. Letztere aber finanzieren sich zu bis zu 80% aus Werbeeinnahmen - laut WHO ist daher eine objektive Berichterstattung über die Gesundheitsschäden des Rauchens gar nicht möglich [24]. Sie fordert ein totales Werbeverbot für Tabakwaren nach dem Vorbild Norwegens, Finnlands und Polens. Doch bereits 1997 gab sich der Zentralverband der Deutschen Werbewirtschaft zuversichtlich, da ein solches Werbeverbot nur dem Wettbewerb schade und zu einer Zementierung der Marktanteile führe [25]. Die Selbstbeschränkungsvereinbarung der Tabakindustrie untersagt die an Jugendliche gerichtete Werbung: Keine Werbung mit Models unter 30 Jahren, Prominenten und Leistungssportlern; Verzicht auf Elemente, die typisch für die Welt der Jugendlichen sind. Auch sind Plakatwerbungen an Straßen und Haltestellen um Schulen und Jugendzentren sowie in dem von deren Haupteingang aus einsehbaren Bereich bis zu einhundert Metern Entfernung verboten [26]. Doch wurden in den letzten Jahren mehrfach Verstöße dagegen geahndet (u.a. in Berlin-Hohenschönhausen) und die beteiligten vier Tabakkonzerne zu je 300 000 DM Strafe verurteilt [17].

    Gesundheitliche Risiken für Kinder und Jugendliche

    Unverzichtbar jedoch ist die Aufklärung der zum Rauchen verführten Jugend, die zu 80% [27] der Ansicht ist, "auf eigenen Wunsch" damit begonnen zu haben [28]. Tatsächlich aber ist sie nur beeindruckt von Bildern, die Tabakgebrauch in Verbindung mit bezaubernden Models und gesundem Lifestyle darstellen -"Betrug in Form von Werbung" [29]. Außerdem steigert Zigarettenwerbung das Selbstwertgefühl von Jugendlichen, die rauchen[11]. Das Risiko beim "Ausprobieren" von Zigaretten ist hoch: Nikotin-Entzugssymptome traten bei 13-jährigen Kindern bereits nach wenigen Zigaretten auf [30], 90% sind mit 21 Jahren nikotinabhängig [31,32]. Diese ausgeprägte frühe Nikotinabhängigkeit fordert vermehrtes Engagement in der Betreuung junger erwachsener Raucher [33] sowie spezielle Programme zur Prävention und Unterstützung eines Rauchstopps [34]. In den USA rauchen über3 Millionen Kinder ca. 950 Millionen Packungen Zigaretten, [35] jeden Tag kommen ca. 3000 hinzu. Kinder, die bereits früh mit dem Rauchen beginnen, haben (unabhängig von soziodemographischen Einflüssen) ein deutlich erhöhtes Gesundheitsrisiko [36], weisen eine verminderte Leistungsfähigkeit, vermehrt Atemwegserkrankungen, Gefäßerkrankungen sowie eine relevante Reduktion ihre Lungenentwicklungund Lungenfunktion auf [37]. Bei anhaltendem regelmäßigen Zigarettenkonsum wird ein Viertel von ihnen frühzeitig an einer Krankheit sterben, die direkt mit dem Rauchen in Zusammenhang steht [35]. Aus zahllosen Publikationen ist die erhöhte Inzidenz von Karzinom- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Rauchern bekannt [38-40]. Mit dem frühen Rauchbeginn sind vermehrt junge Erwachsene von DNA-Schäden der Lunge, Karzinomerkrankungen und frühem Tod betroffen [41-43].

    Gesellschaftliche Akzeptanz des Rauchens

    †ber die Auseinandersetzung um die spezielle kindergefährdende Werbung der Zigarettenindustrie darf die allgegenwärtige Verfügbarkeit der Zigaretten nicht unberücksichtigt bleiben. 830 000 Zigarettenautomaten (einer für 100 Bewohner und einerfür ca. 30 Raucher in Deutschland) erinnern still an die Werbebotschaften und bieten Zugriff wie sonst nirgendwo in Europa. Und dies, obwohl die im Berufsverband Deutscher Tabakanbauer (BDTA) organisierten Tabakwarengroßhändler bereits 1997 beschlossen, "in einem Sichtfeld von 50 m vom Haupteingang einer Schule oder eines Jugendzentrums und innerhalb dieser Einrichtungen sowie in den umlaufenden Straßenabschnitten auf die Aufstellung von Zigarettenautomaten zu verzichten" [26]. Rauchen wird als soziale Norm flächendeckend akzeptiert. Es ist das Konsumgut mit der größten Zugriffsmöglichkeit - auch noch abends und am Wochenende [44]. Preiserhöhungen für Zigarettenschachteln haben in Schweden und Kalifornien zum Rückgang der gerauchten Zigaretten (auch bei Jugendlichen) geführt, in dem US-Bundesstaat sank die Zahl der pro Erwachsener verkauften Zigaretten um 45%! [45] Ein Abgabeverbot unter 16 Jahren und bargeldlose Zigarettenautomaten könnten den Start ins Raucherleben verzögern. Die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Tabakwerbeverbots werden kontrovers diskutiert und werden eher überschätzt, da ein Nettoarbeitsplatzverlust durch Nachfrage nach anderen Konsumgütern nicht auftritt [46]. Eine restriktive Haltung von Elternhaus und Schule zum Rauchen ist eine gute Voraussetzung [47]. Erzieherische Maßnahmen außerhalb des Elternhauses sind anspruchsvoll: Eine von CDC gesteuerte und mit TV-Spots unterstützte US-Kampagne erreichte mit ihren Warnungen vor dem Rauchen bei den Jugendlichen das Gegenteil, weil sie (im Gegensatz zur Tabakindustrie) die Sprache und Gewohnheiten derTeenager nicht berücksichtigte [48]. Zahlreiche Untersuchungen trugen zum besseren Verständnis der Jugendlichen bei [51], die
    Pumpe K, KinderspezifischeTabakwerbung ¹Pneumologie 2002;56:247-254 †bersicht253
    --------------------------------------------------------------------------------
    Page 8
    sich häufig den negativen langfristigen Auswirkungen nicht bewusst war [52]. So wurden effektivere Vorbeugungsmaßnahmen ermöglicht und "Rauchererziehung" Bestandteil des Unterrichts[49,50]. Auch die Deutsche Lungenstiftung unterstützt erfolgreich Projekttage in Kindergärten und (Vor-)Schulen, mit Malwettbewerben sowie durch die Kinderfilmserie "Tobi und dieStadtparkkids": Hier kommt der "Held" ohne Suchtmittel aus!

    Literatur

    1 Middel A, Guttenberg KT. Massive Proteste gegen geplantes Werbeverbot der EU für Tabak. Die Welt 31.05.01: 1
    2 Rauchen/Nikotin regt Gehirntätigkeit an. US-Teenager waren Ziel des Tabakmarketings von Philip Morris. Handelsblatt, 22.11.1996; Nr. 227:31
    3 Engelbrecht J, Lehmann F. Suchtmittel: Wieder mehr Raucher. Bundesgesundheitsministerium. Deutsches Ärzteblatt 1999; 96 Heft 11: A-664
    4 Pott E Federal Centre for Health Education Germany. Country report. Germany. Promot Educ Jun-Sep 1995;
    2 (2-3): 66-67
    5 Everett SA et al. Initiation of cigarette smoking and subsequent smoking behavior among U.S. high school students. WHO-Health-Behavior-Studie (1998). Prev Med 1999; 29 (5): 327-333
    6 Oeschger M. http://www.proaere.ch/info/19963/art04.html
    7 Herold sun. http://news.com.au. 11 Dec 2000
    8 Tobacco Use in Motion Pictures: Is Hollywood Addicted? News Release, Office of the Public Affairs & Marketing. Lebanon, NH: One Medical Center Drive, 2000
    9 Escamilla G et al. Women and Smoking in Hollywood Movies: A Content Analysis. American Journal of Public Health 2000; 90: 412-414
    10 Goldstein AO et al. Tobacco and Alcohol Use in G-Rated Children's Animated Films. JAMA 1999; 28: 1131-1136
    11 MacFadyen L, Hastings G, MacKintosh AM. Cross sectional study ofyoung people's awareness of and involvement with tobacco market-ing. BMJ 2001; 322: 513-517
    12 Klein JD, Claire St. Do candy cigarettes encourage young people to smoke? BMJ 2000; 321: 362-365
    13 Kessler DA. Nicotine addiction in young people. N Engl J Med 1995;333: 186-189
    14 Domizlaff G. Sicher, die Zigarette hat ein Suchtpotenzial. http://lbm.stern.de/wirtschaft/spezial/2001/05/02tabak-1.html 2001
    15 Meister AM. Ein Nichtraucher an der Spitze eines Zigaretten-Konzerns. Die Welt. 25.05.2001
    16http://Philip Morris.com
    17 Leit- und Planstelle Gesundheit Bezirksamt Berlin-Hohenschönhausen. Zigarettenwerbung um Schulen.
    18 Capers-Merk M. ZDF-TV "Frontal". 15.05.2001
    19 Mackay J. The tobacco problem: commercial profit versus health - the conflict of interests in developing countries. Prev Med 1994; 23 (4):535-538
    20 Dessart G. The American Cancer Society versus tobacco. The first 40 years or the last? Nat Med 1997; 3 (7): 712-713
    21 Nowak R. New studies trace the impact of tobacco advertising. Science 1995; 270 (5263): 573-574
    22 Evans N, Farkas A, Gilpin E, Pierce JP. Influence of tobacco marketing and exposure to smokers on adolescent susceptibility to smoking. JNat Canc Inst 1995; 87: 1538-45
    23 Emri S et al. Recognition of cigarette brand names and logos by primary schoolchildren in Ankara, Turkey. Tob Control 1998; 7 (4): 386-392
    24 WHO. GOVI-Verlag, 1999
    25 Druck auf die Tabakwerbung wächst. Die Welt. 26.06.1997
    26 Selbstbeschränkungs-Vereinbarungen der Cigarettenindustrie. http://tabak-bartel.de/texte/glossar.html
    27 Stumpfe K D. Die erste Zigarette. Gesundh.-Wes. 1994; 56: 694-700
    28 Rust L. Tobacco prevention advertising: lessons from the commercial world. Nicotine Tob Res 1999; 1 Suppl : 81-89
    29 Smoak R. American Medical Association, Bloomberg Business News. 1996
    30 DiFranza JR et al. Tobacco. Control 2000; No. 9: 313-319
    31 The World Foundation for Natural Science. Rauchen. Wer verdient am schleichenden Tod. http://www.wffns.org/journal/artikel/smok-ing_de.html
    32 DiFranza JR, Rigotti NA et al. Initial symptoms of nicotine dependencein adolescents. Tobacco Control 2000; 9 (3): 313-319
    33 Janson H. Longitudinal patterns of tobacco smoking from childhood to middle age. Addictive Behaviors 1999; 24: 239-249
    34 Sussman S, Dent CW et al. Self-initiated quitting among adolescentsmokers. Preventive Medicine 1998; 27: A19-A28
    35 Institute of Medicine. Growing Up Tobacco Free: Preventing NicotineAddiction in Children and Youths. Washington, DC: National Academy Press, 1994: 5-11
    36 DuRant RH et al. The relationship between early age of onset of initialsubstance use and engaging in multiple health risk behaviors amongyoung adolescents. Arch Pediatr Adolesc Med 1999; 153 (3): 286-291
    37 Li JS et al. Meta-analysis on the association between environmentaltobacco smoke (ETS) exposure and the prevalence of lower respiratorytract infection in early childhood. Pediatr Pulmonol 1999; 27 (1):5-13
    38 Haustein KO. Zigarettenrauchen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Möglichkeiten der Behandlung der Nikotinabhängigkeit. WMW1/1999: 19-24
    39 Pepine CJ, Schlaifer JD et al. Influence of smoking on progression of endothel dysfunction. Clin Cardiol 1998; 21: 331-334
    40 Calori G, D'Angelo A, Valle PD et al. The effort of cigarette-smoking oncardiovascular risk factors: a study of monizygotic twins discordant for smoking. Thromb Haemost 1996; 75: 14-18
    41 Wiencke J, Thurston SI et al. Early age at smoking initiation and tobacco carcinogen DNA damage in the lung. Journal of the National Cancer Institute 1999; 7: 614-619
    42 Burns DM, Shanks TG et al. The American Cancer Prevention Study I:12-Year follow up of 1 million men and women. In: Shopland D (ed): Changes in Cigarette-Related Disease Risks and Their Implication forPrevention and Control. National Cancer Institute, 1997
    43 Thun MJ, Myers DG et al. Age and the exposure-response relationships between cigarette smoking and premature death in Cancer Prevention Study II. In: Shopland D (ed): Changes in Cigarette-Related Disease Risks and Their Implication for Prevention and Control. National Cancer Institute, 1997
    44 Pötschke-Langer M. Deutsches Krebsforschungszentrum; in: ZDF-TV-Magazin "Frontal" am 15.05.2001
    45 Nau VB. Lungenheilkunde. 2001; 3 Heft 4: 8
    46 Bornhäuser A. Factsheet Tabakwerbeverbot. Heidelberg: DeutschesKrebsforschungszentrum, 2001
    47 Wakefield MA, Chaloupka FJ, Kaufman NJ et al. Effect of restrictions onsmoking at home, at school, and in public places on teenage smoking:cross sectional study. BMJ 2000; 321: 333-337
    48 McKenna JW, Williams KN. Crafting effective tobacco counteradvertisements: lessons from a failed campaign directed at teenagers. Public Health rep 1993; 198 Suppl 1: 85-89
    49 Daudt AW et al. A first step incorporating smoking education into a Brazilian medical school curriculum: results of a survey to assess thecigarette smoking knowledge, attitudes, behaviour, and clinicalpractices of medical students. J Addict Dis 1999; 18 (1): 19-29
    50 Terao A. A survey of smoking behavior among junior high school students and smoking prevention education developed using the survey results. (Article in Japanese) Nippon Koshu Eisei Zasshi,; 46 (6):487-497
    51 Rigotti NA. Youth access to tobacco. Nicotine Tob Res 1999; 1 Suppl 2:93-97
    52 Brook U, Mendelberg A et al. Knowledge and attitudes of children to-wards cigarette smoking and its damage. Patient Educ Couns 1999; 37(1): 49-53
    Pumpe K, KinderspezifischeTabakwerbung ¹Pneumologie 2002;56:247-254 †bersicht254
    ecoglobe home | a - z | ecoglobe Rauchseiten - pages sur le tabac
    Ihre Meinung ecoglobe - depuis- seit - since 1997 nach oben
    2005319-5411-8506-2014o23
    http://www.medicusmundi.ch/mms/services/bulletin/bulletin199901/kap01/01abelin.html
    http://www.google.com/search?hl=fr&q=tabakpr%C3%A4vention+deutschland+vereinbarung+industrie+regierung&lr=
    http://www.forum-rauchfrei.de/argumente_briefe/regierungsentwurf_tabakpraevention.htm
    post@forum-rauchfrei.de Redaktion: Dr. Jörn Reimann Zuletzt aktualisiert: 09.10.07 http://www.forum-rauchfrei.de/ http://www.forum-rauchfrei.de/argumente_briefe/vzbv140408.pdf = verbotene Werbung April 2008 im Spiegel