ecoglobe Brief an Radio DRS über einen Staudamm im Amazonas
und die modernen Jäger und Sammler Helvetiens.

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Persönliche Post an einflussreiche Personen könnte zu Änderung Führen.
Brief vom 9. August 2011 an Herrn Philippe Scholkmann Echo, Radiostudio Zürich Brunnenhofstrasse 22, Postfach, 8042 Zürich

Die Bedrohung der Jäger und Sammler unseres modernen Helvetiens

Sehr geehrter Herr Scholkmann,

besten Dank für den interessanten Bericht über Amazonien, heute Abend im Echo der Zeit.

Ich wusste nicht, dass die indigenen Völker - deren internationale Bewegung übrigens heute vor 30 Jahren ins Leben gerufen wurde - von der Austrocknung und nicht Überflutung bedroht werden.

Auch der Dominoeffekt, d.h. die Planung hunderter weiterer Flussschleifenkraftwerke ist mir neu.

Relativ neu ist meine persönliche Erkenntnis, dass wir im Grunde genau gleich Jäger und Sammler sind. Allerdings mit dem Unterschied, dass die moderne Technik das Sammeln und Jagen viel wirksamer macht.

Die Folgen sind seit vielen Jahrzehnten überall sichtbar: die Ausbeutung aller Rohstoffe und Lebewesen, die wir nur irgendwie finden können, und eben die dadurch verursachte Zerstörung unserer Lebensräume und der Natur.

Vor einigen Jahren sendete das Radio DRS mal eine Sendung, worin es hiess, der Amazonas werde von uns aufgegessen, wegen des Sojaanbaus. Das bedeutet konkret, das wir hier in der Schweiz für vieles eine Mitverantwortung tragen und demnach auch ändern können, so auch die heutige Zerstörung von Lebensräumen durch Flusskraftwerke.

Das Grundproblem ist die Überbeanspruchung der Erde durch zu hohen Konsum und zu viele Menschen, sowie das Wachstum, welches die Belastung der Erde beschleunigt. Auch müssen wir nicht die Natur schützen sondern unser eigenes Überleben sicherstellen.

Was man, leider auch beim Radio, immer noch nicht versteht – oder mindestens in den Nachrichten nicht zum Ausdruck bringt – ist, dass wir das Wachstum sofort und unwiderruflich stoppen müssen.

Wachstum ist immer materiell. Immaterielles Wachstum, eine Idee gewisser Wirtschaftstheoretiker gibt es nicht. Wachstum = Steigung des BIPs = mehr Geld = mehr Materialverbrauch. Das gilt unverändert auch für die sogenannten Dienstleistungen, die alle in Geld ausgedrückt werden und dementsprechend Material brauchen.

Viele Dienstleistungen sind sogar äusserst materialintensiv, z.B. der Verkehr.

Es ist gut über den Niedergang Amazoniens zu wissen. Es ist noch weit besser wenn die Politik versteht, dass wir selber diesen Niedergang verursachen und das die Folgen uns alle treffen, ja, dass wir selber vom Aussterben bedroht sind, weil wir unsere eigenen Lebensgrundlagen zerstören und aufbrauchen.

Der Endpunkt steht allerdings bereits vor unserer Haustür und wird binnen einiger weniger Jahre hereinkommen: der Beginn des Niedergangs nach dem Ende des Erdölfördermaximums. Für Öl gibt es nämlich keinen Ersatz. Knappheiten aller Art kommen auf uns zu, Nahrungsmittel und Industriegüter. Die Globalisierung wird schneller zu Ende gehen als dass sie aufgebaut wurde. Ohne Öl keine Transporte, keine Flüge, keine industrielle Landwirtschaft.

Für die Umwelt und die Überlebenschancen unserer Kinder und deren Eltern wird das gut sein. Aber die Not wird sehr gross sein, wenn man bedenkt, dass die Schweiz zu sehr grossen Teilen von eingeführten Rohstoffen und Nahrung abhängig ist. Da helfen die Wasserkraftwerke wenig.

Die absolute Dummheit der Führer und Führerinnen dieser Welt ist zu meinen, dass man immer weiter suchen, sammeln und jagen muss: die modernen helvetischen Jäger und Sammler, weltweit aktiv, bis es nichts mehr gibt. Sind die Ölquellen in der Nordsee leer, dann geht man in die Arktis. Das ist ja nun dank Technologie und Klimawandel möglich.

Und was macht man, wenn die paar neuen Quellen auch versiegt sind? Wie werden wir leben mit jetzt bald sieben Milliarden Menschen? Acht Milliarden oder gar neun gegen 2050 werden wir nicht erreichen, weil uns dazu die Rohstoffe und das Wasser und die fossile Energie und der Platz und ein normales Klima fehlen werden.

Das alles kann jedes Kind ausrechnen. Doch die Sieben in Bern und die Werwaltung und die Wirtschaftsbosse und deren theoretische Wasserträger in den Wirtschaftswissenschaften kennen nur eines: "MEHR".

Sogar der Papst würdigte vor vier Jahren den Wissenschaftler Galileo Galilei, der nachwies, dass die Erde sich um die Sonne dreht und nicht umgekehrt. Seit 1492 weiss man, dass die Erde eine Kugel ist und nicht flach. Dennoch darf die Bevölkerung weiterwachsen und die Wirtschaft soll weiter expandieren. Dazu mögen Sie meine ecostory www.ecoglobe.ch/sustain/d/anni7119.htm vergleichen, sowie jene über des Erölfördermaximum www.ecoglobe.ch/energy/e/outl0n09.htm.

Ich verstehe nicht, wie sonst intelligente Menschen ihre Politik durch Wachstum, Hoffen, Glauben und Technologie leiten lassen - dies in starkem Widerspruch zu den Realitäten einer immer kleiner werdenden und ausgelaugteren Welt, die verlangt, dass man jetzt handelt, mit den Mitteln die man wirklich hat.

Bitte täuschen sie sich nicht. Mit noch zu erfindenden neuen Technologien kann man heute nichts machen. Und Technologie kann erschöpfte Rohstoffvorräte und ausgestorbene Arten nicht wieder herstellen oder ins Leben zurückrufen.

Ich hoffe, dass bei den Medien irgendjemand bald den Mut haben wird, das Wachstum zum Thema zu machen und darzustellen als das was es wirklich ist: eine Selbstmordpolitik. Wenn sie dann allerdings immer wieder die wachstumsgläubigen Mitglieder von Business, Politik und der Zunft der Ökonomie zum Gespräch einladen, werden Sie und wir alle nicht weiterkommen.

Ich danke Ihnen nochmals für die Sendung und Ihre wichtige Medienarbeit.

Mit freundlichen Grüssen ... Helmut Lubbers

Beilagen


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